Für eine zügige Regierungsbildung – Denn unser Land braucht Lösungen. Kommunale Forderungen des Bayerischen Gemeindetags an die Verhandlungspartner der kommenden Regierungskoalition
Sehr geehrter Herr Dobrindt,
sehr geehrter Herr Merz,
sehr geehrter Herr Klingbeil,
nach aufreibenden Jahren, einem ungewöhnlichen Winterwahlkampf und einer Bundestagswahl, bei der die Ränder mit einer Sperrminorität ausgestattet wurden, haben der Bayerische Gemeindetag und die kommunalen Verantwortungsträger in unseren Rathäusern eine Botschaft an Sie als Verhandlungsführer der kommenden Regierungskoalition: Finden Sie zügig zu Kompromissen. Kommen Sie zu pragmatischen Lösungen für die Herausforderungen in unseren Kommunen. Beenden Sie ideologische Grabenkämpfe und handeln Sie nach den Maßstäben einer Verantwortungsethik für die Menschen in unserem Land.
Als mitgliederstärkster kommunaler Spitzenverband tragen wir Verantwortung und haben daher die Aufgabe, Ihnen diese Botschaft der demokratischen Basis in den Städten, Märkten und Gemeinden – unserer kommunalen Familie – zu überbringen. Leider mussten wir in den vergangenen Jahren wahrnehmen, dass die „große“ Politik Schritt für Schritt den Bezug zu den Problemen vor Ort und den damit verbundenen Risiken für unsere Demokratie verloren hat. Dort wo neue Aufgaben und Bürokratie unsere Städte, Märkte und Geeinde finanziell und personell unter Druck setzen, dort wo Menschen bröckelnde Infrastruktur erleben, dort wo eine unkontrollierte Migrationspolitik sichtbar und spürbar wird und dort wo die Spielräume der kommunalen Selbstverwaltung und des damit verbundenen bürgerschaftlichen Engagements nicht mehr erlebbar werden können, wird unsere Demokratie auf eine harte Probe gestellt.
Wir schaffen vor Ort Vertrauen, wenn die Bundespolitik in der Lage ist, Lösungen für die wichtigen Fragen und Herausforderungen zu finden. Pragmatisch, kompromissbereit und aus der demokratischen Mitte heraus. Finden Sie darum schnell zu einer Einigung. Und greifen Sie dabei auf, was aus kommunaler Sicht geboten ist:
- Kommunale Finanz- und Investitionskraft
Die kommunalen Finanzen müssen gestärkt und stabilisiert werden. Aufgabenübertragungen und Standardanpassungen ohne eine vollständige Gegenfinanzierung dürfen nicht mehr vorkommen. Die Gewerbesteuer als unverzichtbare Finanzierungsquelle für unsere Kommunen darf nicht in Frage gestellt werden. Das Gesamtsystem der Kommunalfinanzierung muss zukunftsfähig und robust aufgestellt und garantiert werden. Förderprogramme, die sich an die Städte, Märkte und Gemeinden richten, sind zu vereinfachen, zu pauschalieren und Berichtspflichten sind auf das Notwendige zurückzuführen. Im gesamtstaatlichen Interesse ist ein kommunales Investitionsprogramm aufzulegen. Damit wieder eine spürbare Investitionskraft für die Kommunen gegeben ist, müssen über die Pflichtausgaben hinaus auch ausreichende Finanzmittel (freie Spanne) zur Verfügung stehen. - Sozialsysteme, Bildung und Kinderbetreuung
Es ist an der Zeit, ein Moratorium für weitere Rechtsansprüche im Sozial-, Bildungs- und Kinderbetreuungsbereich zu schaffen. Bestehende Rechtsansprüche und Leistungsgesetze sind dauerhaft gegen zu finanzieren und einem Realitätscheck zu unterziehen. Staatliche Leistungsversprechen müssen auf den Prüfstand und dort revidiert werden, wo sie nicht gewährleistet werden können. Ohne Denkverbote! Die Leistung des Einzelnen muss sich wieder lohnen. Bürgergeld und Unterstützungsleistungen für Asylsuchende oder Kriegsflüchtlinge sind an europäische Standards anzugleichen. Ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr würde die Resilienz und den Gemeinsinn unserer Gesellschaft stärken. - Migration und Integration
Die Aufnahme- und Integrationskraft unserer Kommunen ist erschöpft. Die Zuzugszahlen im Asylbereich sind deutlich und nachhaltig zu begrenzen. Wir brauchen eine von Bund und Land verantwortete und durchfinanzierte Integrationsoffensive. Der Wunsch nach Ordnung und Begrenzung in der Migrationspolitik sowie nach Sicherheit ist ernst zu nehmen. Es bedarf einer zeitnahen Reform des europäischen Asylrechts, aber mehr noch eines offenen Dialogs mit der kommunalen Ebene. - Digitalisierung
Glasfaser- und eine leistungsstarke Mobilfunkversorgung sind insbesondere für den Ländlichen Raum von elementarer Bedeutung und flächendeckend auszubauen. Effizienzpotenziale der Digitalisierung müssen konsequent genutzt werden. Wir brauchen klare digitale Vorgaben und einheitliche Lösungen sowie eine vollständige Finanzierung durch Bund und Länder. Verwaltungsprozesse sind durchgängig digital zu ermöglichen. Die Chancen von Cloudtechnologie und Künstlicher Intelligenz sind zu nutzen. Die Resilienz unserer Behörden sowie unserer kritischen Infrastruktur gegen Cyberattacken ist zu verbessern. Der Datenschutz darf nicht zum Hemmschuh notwendiger Entwicklungen werden. - Bauen, Wohnen, Infrastruktur
Wir brauchen ein gemeinwohlorientiertes Bodenrecht sowie Strategien und Instrumente für Baulandmobilisierung. Der Rechtsrahmen ist so zu setzen, dass kommunale Zugriffsmöglichkeiten am Grundstücksmarkt verbessert werden. Planungsverfahren für die Schaffung von Wohnraum müssen vereinfacht werden. Konzeptvergaben und Einheimischenmodelle müssen handhabbar werden, denn Deutschland hat die niedrigste Wohneigentumsquote in der Europäischen Union. Die Planungs-, Gestehungs- und Baunebenkosten sind in den vergangenen Jahren explodiert. Wir benötigen daher Lösungen zu Standards und Kosten am Bau. Wo Fachrecht der Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnraum im Wege steht, gehört es auf den Prüfstand. Das Vergaberecht ist zu vereinfachen und praxisgerecht auszugestalten. Vergabefremde Kriterien sind auszuschließen – Kommunale Handlungsspielräume zu stärken.
Haben Sie Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung. Dort, wo die Politik die Menschen vor Ort in die Lage versetzt, über ihre Geschicke und ihre Zukunft zu entscheiden und diese zu gestalten, dort gedeiht unsere Demokratie und unsere Gesellschaft. Die Kommunen – die Basis unserer Demokratie – sind bereit ihren Beitrag zu leisten und Verantwortung zu übernehmen. Wir stehen für Gespräche und praktische Lösungsvorschläge immer zur Verfügung.
Ihr
Dr. Uwe Brandl
Präsident
und
Hans-Peter Mayer
Geschäftsführendes Präsidialmitglied
Bayerischer Gemeindetag
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Dreschstraße 8
80805 München